Anna Hostek (Homestory)
zurück.Die kleinen Holzhäuser in den Schrebergärten kennt man vor allem für Blicke durch den Gartenzaun oder die Löcher im Spitzenvorhang. Die Wiener Künstlerin Anna Hostek hat eine dieser Hütten zum Atelier umfunktioniert. Hier stapeln sich die Textilien in Reih und Glied. Ein Fundus der sich über Generationen weitergegeben wurde, an dem sich Anna künstlerisch abarbeitet, die Materialen schichtet und die Geschichten weiterspinnt, neu erzählt.
Umso kleiner die Häuser, umso komischer die Leute beschreibt Anna die umliegende Nachbarschaft Es ist wie ein Dorf, aber in 20 Minuten bist du beim Schottentor. Das Atelier befindet sich in einem Kleingartenverein, in dem Anna Hostek auch aufwuchs. Früher war das Grundstück ein Erdäpflfeld und wurde nach dem zweiten Weltkrieg umgewidmet. Das Atelier lässt sich wie eine Theaterwerkstatt beschreiben. Der Arbeitsraum ist dabei wie eine klassische Schneiderei aufgebaut Wenn Arbeiten fertig sind, teile ich diese sehr streng nach Kategorien ein: Inszenierungen, Bühnenelemente, Props und Puppenelemente. Sie behält alle Arbeiten und Objekte in der Hütte, weil diese wie ein Fundus funktioniert, der immer wieder neu angeordnet wird. Angefangen hat Anna Hostek mit Holz als Material. Auf dem Grundstück steht noch die Holzwerkstatt des Ur-Opas. Ich habe mich eigentlich immer dagegen gestellt mit Textilien zu arbeiten, auch weil meine Urgroßmutter Schneiderin war. Aus dem Übermaß an Material und aus dem Blickwinkel der Fotografie heraus wurde klar, dass inszenierte Fotographie nur dann funktioniere wenn ich alles selbst bestimmen kann und deshalb habe ich angefangen jegliche Elemente selbst zu machen. So bin ich wie zu einer Art Wandertheater geworden, das nur ein Foto aufführt und wieder geht. Dafür war es notwendig eine Materialist zu finden mit der ich vertraut bin und die das auch alles sich trägt. So entstand eine Praxis des Patchworks, des Aufreissens, des Drübernähens. Die Textilien werden dann fast zur Zeichnung, zur Skizze von einer Geschichte, bevor ich sie überhaupt erst erzähle.
Coco, Vivi, Tara & das PuppenensembleWeiter in den nächsten Raum der Hütte. Hier stapeln sich die Stoffe und Gesichter in den verschiedensten Formen, hier wird genäht. Das ist die Coco, meine erste Puppe. Zu der Zeit habe ich in einer Opernschneiderei in Bregenz gearbeitet. Aus den Kleidungsstücken die ich mithatte habe ich dann begonnen diese Puppe zu nähen. Monatelang habe ich die Coco dann ungefüllt bei mir im Rucksack herumgetragen. Dadurch, dass es so ein anthropomorphes Objekt ist, haben die Leute ihre Distanz verloren mit mir über Kunst zu sprechen. Das Material hat dabei eine spezielle Unmittelbarkeit erzeugt erzählt Anna während Coco uns entgegenblickt. Die Künstlerin entwickelt die Texte und Geschichten weniger für die Puppen, diese fungieren vielmehr als ein Ensemble, die durch Oberflächen und Objekte durchführen, Szenarien aufmachen. Die Puppen sind geschlechtslos, Objekte, deren Form einer menschlichen Figur nachempfunden ist. Es gibt keine fixen Rollen, sondern diese variieren je nach Geschichte erzählt Anna Hostek über ihre stillen BewohnerInnen. Bei den Namen hat sie sich einfach bei den klassischen, europäischen Spitznamen bedient. Zu Beginn fotografierte Anna Hostek reale Personen beim Fortgehen, hatte aber schnell das Gefühl diesen ihre eigenen Geschichten überzulegen und einen Blick anzueignen.
Unendliches Anhäufen Ich finde es interessant, wenn industriell gefertigten Materialien mit handgehäckeltes Spitzenwerk von irgendwelchen Omas, das ich Kiloweise besitze, kombiniert werden. Man kann eine Räumlichkeit, eine Persönlichkeit und eine popkulturelle Verortung mittels der Auswahl, Kombination der Materialien anhand einem einzigen Objekt erzählen Viele Textilien werden schon seit Jahren gesammelt. In diesem Raum finden sich neben den Puppen und Textilien auch einige Kostümteile. Das Geschirr steht neben den fertigen Arbeiten. In der Küche kocht die Künstlerin überwiegend Beitze auf, mit der sie auch die Stoffe einfärbt. Mit der Beitze hat bereits der Ur-Opa gearbeitet, der Farbton: Eichenbraun-dunkel. Es dringt wie Haarfarbe in die Stofffaser ein, sogar bei synthetischen Stoffen. Auch im Duschraum wird nur gefärbt. In der Küche sammelt Anna Weintrauben, die sie ganz toll findet. Gestohlene Weintrauben aus Wirtshäusern sind für die Künstlerin Romantik ohne Ende. Wenn Nacktschnecken sich fortpflanzen liegen sie im Ying und Yang, das habe ich einmal einem Weingarten beobachtet, das hat sich mir so eingebrannt, dass ich seitdem Weintraumen sammle und diese mit Seide überziehe oder sie selber forme. Das ist einfach Weintraumenmania.
Auf Null stellen Ich löse mich nicht von Dingen, sondern verarbeite sie neu. erzählt Anna Hostek über ihren künstlerischen Ansatz. Die Dinge zu behalten glorifiziert alles was das Leben von dieser Person zuvor war. Lieber arbeite ich das in eine Geschichte mit ein und gebe dem neue Bedeutung und Raum. In Zeiten von Fast-Fashion und den ganzen Tik-Tok-Halls bekommt Textil so eine andere Wertigkeit und auf der eine Seite hat man diese Trends zum Minimalismus, fairfashion aber passiert in der gleichen Geschwindigkeit wie der Rest. Immer schneller, immer schneller. Es ist eines der aufgeladenen Materialien, das wir zu Verfügung haben. geschichtlich, persönlich und ökonomisch. Nix gegen Stahl aber meins is es nicht meint Anna lachend. Das Haus ist eine Produktionskammer, eine eigene Welt. Wenn ich hier bin läuft Ö1 und ich vergiss die Zeit. Kurz selbst auch die Zeit vergessen, draussen ist es dunkel.
Zur Person
Anna Hostek, geboren 1995 lebt und arbeitet in Wien als Künstlerin. Sie diplomierte in den Klassen TransArts und Skulptur und Raum an der Universität für angewandte Kunst Wien. In kuratorischen, kollaborativen Projekten setzt Anna Hostek mittels dramaturgischer Abläufe ihre skulpturalen Objekte in einen Szenischen Kontext. Derzeit arbeitet sie an dem Video Projekt ‚TIPSY TINA‘ dass mit Material vergangener Ausstellungsprojekte bei Georg Kargl Permanent, Fonda Leipzig und Haus Wien arbeitet und ab September 2022 im Rahmen der von Hostek konzipierten Gruppenausstellung in der Kunsthalle Exnergasse zu sehen ist.