Dishes (Interview)

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Die neue Veranstaltungsreihe mit dem bildhaften Titel Dishes von CHRIS ATTILA IZSÁK, MARLENE KAGER und THERESE TERROR findet zum ersten Mal statt und beschäftigt sich mit folgenden Fragen: Was könnte sogenannte Hochkultur in diesen Zeiten und darüber hinaus für subkulturelle Bestreben leisten? Welche Ressourcen können geteilt und welche Handlungsspielräume eröffnet werden? In den vergangenen zwei Jahren waren die Räume, die ansonsten für Zusammenkommen, Austausch und Kollaboration unterschiedlicher (Musik)-Szenen zur Verfügung stehen, nur punktuell geöffnet. Virtuelle Räume konnten physische nicht ersetzen, Veranstaltungen und Festivals wurden von einem Lockdown in den nächsten verschoben. Dishes ist ein Versuch, kontemporären und experimentellen Zugängen ans Veranstalten in Wien Leben einzuhauchen: Am 8.4.2022 findet die erste Ausgabe in der Roten Bar im Volkstheater Wien statt. Ada Karlbauer sprach anlässlich des ersten Abends mit dem Kernteam über wholesomeness, über Kuration jenseits algorithmischer Muster, den Fokus auf emanzipatorische Potenziale, über die Schnittstellen von Subkultur und Institution, sowie Line-Ups als Menüs oder Buchstabensuppen.

Die Veranstaltungsreihe heißt “DISHES” und findet in der Roten Bar im Volkstheater statt. Wie kam es dazu?

Chris Attila Izsák Nach schwierigen Monaten für den lokalen und internationalen Kunst- und Kulturbetrieb wollte sich Therese nach dem RRRIOT 2018 und 2019 stärker auf den Bereich emanzipatorische, elektronische Musik fokussieren, da solche Zugänge durch die Pandemie auch verstärkt in den Hintergrund gerückt sind. Daraufhin hat sie mich gefragt, ob wir das gemeinsam machen möchten, und Marlene kam dann auch noch hinzu. Wir drei sind eng befreundet und haben davor noch nie so intensiv miteinander kollaboriert. Ich muss aber sagen, dass die Zusammenarbeit wirklich gut funktioniert. Durch die im Vorhinein bestehende Freundschaft zieht sich ein starkes Gefühl von wholesomeness durch unseren Zugang, den wir, glaube ich, alle sehr genießen und der hoffentlich auch auf unseren Veranstaltungen zu spüren sein wird. Eine zentrale Frage unseres Vorhabens im Volkstheater war, ob und wenn ja, auf welchen Ebenen Kollaborationen mit institutionellen Räumen subkulturelle Bestreben fördern können und ob sich das nicht schon an sich ausschließt. Das Volkstheater hat sich daher als Ort angeboten, um dies für uns zu erläutern und herauszufinden.

Marlene Kager Während Corona ist alles eingeschlafen, nur die Institutionen hatten die Möglichkeit, weiterhin Dinge zu realisieren. Clubs und kleinere Locations standen vor dem Untergang, deshalb war es auch sehr cool, dass es möglich war, gemeinsam dieses Konzept zu entwickeln. Dieser Aspekt war wesentlich in der Konzeption von DISHES, ein Erwachen. Bring it back.

Chris Attila Izsák Es hätte nicht viel Sinn gemacht, meinen bisherigen kuratorischen Ansatz, der immer recht konkret in Verbindung mit dem Clubraum stand, direkt hierher zu übersetzen. Dennoch wird es “clubbige” Aspekte geben. Es soll ja auch eine Party sein. So stehen DJ-Sets von Toxe, Kim Leclerc und Olmatri am Programm, auf die wir uns alle schon sehr freuen! Die Rote Bar ist aber ein anderes “Material”, in ihrem Erscheinen, ihrer Ausstattung, Kontext und Situiertheit. Ich finde es spannend, damit zu arbeiten. Uns war schon recht früh klar, dass wir mehr Gewicht auf Konzerte legen möchten. Mir kommt vor, dass es sich anbietet, verschiedene Positionen in dieser Bar zu zeigen, die nicht nur in einer spezifischen Ästhetik aufgehen, weil es der wandelbare und doch dekadente Charakter des Raumes zulässt.

Außerdem haben wir Leute gebucht, die verstärkt performativ und/oder räumlich arbeiten, wie etwa die Gitarristin und Produzentin Alpha Maid, deren Kompositionen sich aus Lo-Fi-Grunge und Glitch-Elektronik zusammensetzen oder das Musikprojekt der bildenden Künstlerin Chin Tsao namens Pope Sangreta, bei dem stark mit Verzerrung und Verwinkelung gearbeitet wird, auf das ich mich persönlich schon besonders freue. Außerdem wird es ein unverstärktes Bassklarinetten-Solo von Susanna Gartmayer geben, das gleichzeitig den Übergang zu den DJ-Sets einleitet. Eröffnet wird der Abend mit einem Ambient-Set von 3C 273, deren minimalistische Formensprache sich aus analoger und digitaler Synthese zusammensetzt und oft durch akustische Instrumente wie Pfeifenorgeln, Akkordeons und Blasinstrumente ergänzt wird.

Institutionen und andere Räume stehen eigentlich in einem gespaltenen Verhältnis zueinander. Das Aneignen des Subkulturellen ist oftmals Bestandteil von größeren Häusern. Wie seid ihr damit umgegangen?

Chris Attila Izsák Uns interessiert die Frage, was für Möglichkeiten sich institutionelle Räume und freie Szenen gegenseitig eröffnen können. Verlauf ist meist: zuerst gibt es subkulturelle Bestreben und in den meisten Fällen werden diese mit der Zeit institutionalisiert beziehungsweise kapitalisiert. Wir wurden eingeladen, hier etwas zu machen und verfolgen unsere Agenda. Trotzdem kooperieren wir natürlich mit dem Theater als host, ich empfinde das nicht als einen Antagonismus. Es ist aber natürlich anders als in einem Club, denn jede Aktion erfordert automatisch mehrere organisatorische Schritte, wie zB., dass wir gerade das Interview hier in der Roten Bar führen können, es ist bürokratischer. Ich glaube, wir versuchen das wirklich auch als Kollaboration zu verstehen und nicht als ein Oben gegen Unten. Wir freuen uns letztlich darüber, dass die Veranstaltung hier stattfindet. Schauen wir, ob es nächstes mal immer noch hier stattfinden kann. Ein beträchtlicher Teil des Line-Ups hat noch nie in Wien gespielt. Olmatri spielt beispielsweise sein erstes DJ-Set bei unserer Veranstaltung und 3C 273 als auch Alpha Maid, haben ihre Wien-Premiere auf unserer Veranstaltung. Das war uns wichtig. um einen Diskurs aufzumachen, der an diesem Ort vielleicht noch nicht so oft geführt wurde, genauso wie, dass die Namen am Line-Up den meisten vermutlich erstmal gar nichts sagen. Es ist ein Experiment, auch weil es tatsächlich die erste Veranstaltung dieser Art in der Roten Bar sein wird. Wir sind auch ein BISSCHEN nervös (lacht).

Das klingt fast so, als würde das Volkstheater selbst von der eigenen Veranstaltung überrascht werden. Gab es einen inhaltlichen Austausch während der Konzeption?

Marlene Kager Wir wissen eigentlich nicht, was auf uns zukommt und wie das Volkstheater selbst reagieren wird. Als wir letztens den Soundcheck hatten und einen eher “ärgeren” Track abgespielt haben, hat eine Person aus dem Volkstheater-Team ganz überrascht gefragt: „wird das so!?” (lacht). Ich glaube, dass dieser Abend für beide Seiten, sowohl dem Volkstheater wie auch für uns, eine große Überraschung sein wird. Natürlich gab es den Austausch während der Konzeption. Wir haben das Line Up auch einige Male adaptiert, um ein schlüssiges Programm zusammenzustellen, welches die Räumlichkeiten nicht sprengt, sondern die Schnittstelle von Subkultur X Institution aufgreift. Wir sind selbst sehr gespannt, wie sich diese Abend dann wirklich anfühlen wird, wenn man ihn erlebt.

Chris Attila Izsák Da sind wir wieder bei der Frage, was kann eine Institution tun? Eine Institution kann uns einen Raum und ihre Ressourcen geben, um Dinge zu verwirklichen, experimentierfreudig zu sein und Sachen auszuprobieren. Das Team ist super, it’s friendly.

Marlene Kager Um nochmal zur Haltung zurückzukommen: Es ist nicht so, dass wir hierherkommen und sagen, „wir wollen die Venue weil sie geil ist”, ohne eigentlich dahinter zu stehen, wofür die Institution steht, oder umgekehrt. Man trifft sich irgendwo, auch wenn man verschiedene Ausgangspunkte und Vorstellungen hat. Natürlich ist uns in den vergangenen Monaten oftmals ein Strich durch die Rechnung gemacht worden, aber vor allem deshalb, weil das Gebäude denkmalgeschützt ist und zentrale Aspekte der Clubkultur, wie etwa eine Nebelmaschine, einfach nicht möglich sind. Das ist der Punkt, wo es interessant wird. Susanna Gartmayer wird beispielsweise auch unverstärkt auftreten, sie steht einfach da mit dem Instrument und geht herum, was auch wieder dazu führt, dass man den Raum anders nutzt und die Leute durchs Haus führt. Danach wird es clubbiger, der Fokus ist jedoch schon auf Live Performances gerichtet.

Es geht also weniger um die direkte Übertragung oder Transformation einer Szene in einen institutionellen Rahmen, sondern ist vielmehr als eine Art Zwischenschritt zu begreifen, von beiden Blickwinkeln aus.

Chris Attila Izsák Genau, uns geht es auch stark darum, mit den vorhandenen Räumlichkeiten zu arbeiten, etwas Neues vor Ort zu schaffen. Der Fokus liegt auf den Konzerten. Die unterschiedlichen Zugänge an Musik, die hier gezeigt werden, sollen von den gängigen Club-Bookings in gewisser Weise abweichen. Ich habe mich in letzter Zeit vermehrt damit beschäftigt, vom Algorithmischen wegzukommen, weil sich hinter den meisten Musik-Searches und Lineups gewisse algorithmische Muster verbergen, mit denen meiner Meinung nach auch kritisch umgegangen werden muss.

Wie kann man sich eure musikalischen Backgrounds vorstellen, gibt es da Schnittpunkte?

Marlene Kager Es gibt auf jeden Fall Überschneidungspunkte, aber wir kommen alle aus unterschiedlichen Richtungen. Das beginnt schon dabei, dass Therese schon viel länger in der Veranstaltungsszene tätig ist als wir.

Chris Attila Izsák Ich studiere transdisziplinäre Kunst und bin ab kommendem Semester in einer Malerei Klasse, mache selbst Musik, lege auf, kuratiere, veranstalte und betreibe seit neuestem ein Label namens Plot Toy in Kollaboration mit Juan Francisco Vera. Ich komme also eher aus einem Musik-Kontext. Ich habe in Wien bei einigen Veranstaltungen in diesem Bereich schon mitgearbeitet oder bin teilweise nach wie vor aktiver Teil davon, von Ephemeros, Struma+Iodine, Unsafe + Sounds bis hin zu Hyperreality. Mir ist in meinem Zugang zunehmend wichtig, die Grenzen zwischen Musik und bildender Kunst zu verwischen.

Marlene Kager Ich habe in meiner Jugend angefangen, in Kulturvereinen zu arbeiten, mitgeholfen Veranstaltungen zu organisieren und Festivals zum Laufen zu bringen. Das hat auch nicht aufgehört mit meinem Umzug nach Wien, sondern hat sich im Gegenteil eher verstärkt. Während dem Lockdown befand ich mich auf einem Project-Journey, dessen Endstation dann das CIVA Festival war, wo ich nach wie vor im Kernteam arbeite. Ich studiere zeitgleich auch Grafik Design und fühle mich auch sehr wohl in diesem Bereich. Musik ist bei mir 24/7 an und das schon seit ich denken kann, auch weil meine halbe Familie Musikinstrumente unterrichtet. Es war also immer schon ein recht präsenter Teil in meinem Leben. Ich bin froh, das jetzt in einer Form wiedergeben zu können, wo auch mehrere Leute teilhaben können.

Woher kommt die Idee des Begriffs „Dishes“ als Sinnbild der Veranstaltung?

Chris Attila Izsák In einem Gespräch hat Therese einmal gemeint, sie muss später noch Geschirr putzen, also „Dishes“ machen. Daraufhin haben wir kollektiv entscheiden, dass Dishes ein toller Name ist. Soviel dazu (lacht).

Marlene Kager Daraus entstanden auch die Gedanken darüber, ein Line-Up als Menü zu betrachten, die Idee hat uns gefallen. Das Thema zieht sich weiter durch Social Media, das Logo als Teller, den Merch als Geschirrtücher, sowie das Line-Up-Release als Buchstabensuppe.

Chris Attila Izsák Passend zum Titel wird es natürlich auch ein Dinner mit den Artists geben. Nach den Jahren von zero Vernetzung ist es umso wichtiger, kollektive Prozesse zu stärken.Die meisten Festivals kommen nach zwei Jahren Pandemie immer noch mit denselben Line-Ups, die auch schon davor am Start waren, männlich dominiert und alles was dazugehört. Ich finde es wichtig, extra careful mit Nachhaltigkeit umzugehen, möglicherweise ein Netzwerk zu spannen, dass gar nicht so genre-spezifisch ist. Mir geht es eher darum, Musik und Künstlerinnen zu finden, die ich ganzheitlich als spannend empfinde und die jeweiligen Künstlerinnen miteinander zu vernetzen, wenn diese das auch möchten.

Marlene Kager Unser Fokus in der Programmierung lag auch auf einem emanzipatorischen Ansatz, auch weil es durch den RRRIOT- Verein von Therese gefördert worden ist. Auf unserem Line-Up gibt es deshalb auch nur eine männlich gelesene Person. Ich appreciate Therese sehr dafür, dass sie junge Leute zur Zusammenarbeit einlädt und ihre Netzwerke teilt. Im besten Fall ist es ein Gewinn für alle.

Aber auch für die Zeit vermutlich. Viele haben das Clubgehen verlernt, vergessen. Eine Zwischenform wie diese ist daher eine passende Reaktion, die auf den langen Stillstand folgt. Was ist eure Gegenwartsdiagnose?

Chris Attila Izsák Ich denke, es ist wichtig, sensibel zu sein, offen dafür zu seinm Intuitionen zu folgen, sich zu trauen, Sachen einfach mal zu denken, auszuprobieren und dabei experimentierfreudig zu sein. Nach einigen wirklich schweren Jahren für die ganze “kreative Community” scheint es mir wichtig, sich an andere mögliche Wege, Verschränkungen und Diskurse ranzutasten, die davor vielleicht nicht so präsent waren. Hierfür bietet sich in unserem Fall die Rote Bar als Austragungsort natürlich auch gut an. Ich glaube, es macht keinen Sinn, einfach das gleiche Gespräch von vor zwei Jahren zu reproduzieren. Gleichzeitig spielt es natürlich auch eine wichtige Rolle, weil es den Diskurs auch bestimm Diese “Durststrecke” hat auf jeden Fall etwas Bleibendes in mir hinterlassen. Vielleicht entstehen gerade aus diesem Leerstand stärkere Bedürfnisse für kollektives und pro-aktives Handeln. Mir kommt auch vor, dass durch diese Pause eine gewisse Entschleunigung ermöglicht oder ein Bewusstsein für Misslagen geschaffen wurde. Möglicherweise birgt das ja auch Potential in sich, um Wege zu gehen, die vielleicht zu selten gegangen werden, ohne dabei den Anspruch zu erheben, dass wir das jetzt so radikal machen würden. Es ist ein Prozess.

Vielen Dank für das Gespräch!