Lukas Gschwandtner (Homestory)

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Ich habe einen massiven Fetisch für Miniaturen

Zwischen Räumen ohne Wände und zerschnittenen Wandteppichen arbeitet der Künstler Lukas Gschwandtner an seinen Entwürfen. Darin verhandelt er die Körperlichkeit von Möbelstücken, ausgehend von historischen Case Studies. Ein Wohnraum geformt durch Spielarten von Leinen und verdrehten Maßstäben.

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©Alex Gotter

Im ersten Raum thront ein großer, einladender Tisch, dieser wurde ursprünglich von einem Maler genutzt um Leinwände aufzurollen. Bis vor kurzem hing darüber ein riesiger Wandteppich, dessen Ausstrahlung den ganzen Raum eingenommen hatte. 4 Meter lang. Das Motiv: ein Mosaik aus Italien des 6. Jahrhunderts: die Krönung der Königin Theodore und ihren Angehörigen. Für mich war die Wand der logischste Ort zur Aufbewahrung, bis zur Verwertung. Man hatte ständig das Gefühl angestarrt zu werden. Es war toll aber nach ein paar Wochen in denen ich alleine in der Wohnung war, wusste ich dass ich den Teppich zerschneiden muss. Das historische Stück zu zerschneiden war ein wichtiger Schritt, inzwischen ist das Material in einem Stuhl verarbeitet worden und hat die Wohnung verlassen. Erst seit wenigen Monaten lebt Lukas Gschwandtner gemeinsam mit seinem Mann in der ruhigen Altbauwohnung. Nach dem Brexit zurück nach Wien. Alle Möbel wurden aus London mitgebracht. Der Maßstab wurde vergrössert, die Möbelanzahl beibehalten. Die Begriffe “Minimalismus” und “Reduktion” findet Lukas schwierig. Ich war schon immer reduzierten Dingen angetan, ob man das als Minimalismus bezeichnet sei dahingestellt. Sein Mann wünscht sich manchmal etwas mehr Farbe, erzählt Lukas lachend. Er hat schon eine Merkliste auf Willhaben mit bunten Dingen, die wir im kaufen werden.

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©Alex Gotter

Die Mitte der Wohnung bildet ein Zimmer, in dem sich die Computerstation und ein Arbeitstisch mit Modellen, gegenüberstehen. Die Wohnung ist gedeckt gehalten, überwiegend leinenfarben, ein Material, dass sich in Kisten und Regalen in seinen verschiedensten Formen und Stärken wiederfindet. Der Arbeitsprozess des Künstlers beginnt meist mit diesen Stoffen, die dann bei Stühlen als Unterkleid dienen Die Layers werden übereinander gelegt, bilden den Körper der Arbeiten. Viele sehen auf den ersten Blick nicht den Unterschied zwischen den Stoffen. Es verändert aber sofort den Charakter wenn der Stoff beispielsweise gröber gewebt ist Ein wesentlicher Grund für die große Wohnung mit einem Extraraum war der Wunsch den Arbeitszimmer in die Wohnung zu integrieren. Feinere Arbeiten mit Gips und Stoff finden meis hier statt, der Rest wird ausgelagert. Das anliegende Schlafzimmer ist wie ein textiles Vakuum gestaltet. Die Fenster wurden durch lange Stoffbahnen verhängt, schmiegen sich an die Wände, die dem Blick verborgen bleiben.Das ist der einzige Raum in dem Ruhe stattfindet erzählt Lukas. Die Vorhänge bleiben immer verschlossen. Im Zentrum ein Bett, sowie eine Lampe die sich durch den Raum biegt. Die Vorhänge hat der Künstler alle selbst genäht, die Nähmaschine hat dabei Feuer gefangen. Die Lampe ist ein Eigenentwurf, sie lässt sich durch frei hängende Gewichte verstellen, in der Höhe variieren.

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©Alex Gotter

Zurück im Arbeitszimmer, fällt der Blick auf den Erker in dem sich ein drapierter Wandteppich, über eine als Sessel geformte Stahlkonstruktion schmiegt. Diese Motive stammen aus dem Mittelalter. Es war immer ein Traum einen Wandteppich zum Arbeiten zu verwenden meint Lukas, der eine starke Affinität Ästhetiken des Mittelalters empfindet. Ich fand die Idee spannend ein Teil, das eigentlich an der Wand platziert gehört umzukodieren, sodass es dich umgibt und man Teil davon wird. Man sitzt dann mit den Figuren und lebt mit ihnen. Auch wenn das kitschig klingtDie Perspektive beginnt zu kippen, das Motiv wirkt weniger unantastbar. Manche empfinden diese Eingriffe als respektlos, mir ist das während der Arbeit nie in den Sinn gekommen, vielmehr hatte ich das Gefühl den Gegenständen durch den Eingriff noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken beschreibt Lukas. Oft entsteht der Eindruck man könnte meine Arbeiten nicht benutzten weil diese so fragil wirken, aber das schönste ist doch wenn Patina entsteht. Der Gegenstand wird umso schöner, wenn er dich in deinen Bewegungen widerspiegelt fasst Lukas das Thema abschliessend zusammen. “wenn es dreckig ist, dann ist es dreckig und das ist auch cute so”.

Der Künstler arbeitet kaum am Computer, außer die Möbelrecherche auf Will-haben. Hier und da stehen Modelle, sowie Möbelminiaturen herum. Es macht zwar keinen Sinn, weil man sich nicht raufsetzen kann, aber für die Formensprache und Proportionen ist es zentral Das Vergrößern und den Maßtab finden folgt danach. Gerade findet man auf dem Arbeitstisch ein Modell in dem Wände durch textile Flächen ersetzt wurden Es geht um die Frage ob ein Raum die vier Wände braucht oder nicht kommentiert er das Modell ich beschäftige mich mit der Frage ob derselbe Effekt einer Raumkonstruktion auch durch weichere Materialien möglich wäre und inwiefern sich durch die Raumqualität verändern würde. Das Ziel wäre es die Miniatur in einen realen Raum zu übersetzten. ich habe das Gefühl das Material Stoff wird unterschätzt. Schon seit Jahren sammelt er Screenshots von Türen und Fenster auf Willhaben, irgendwann möchte er einmal einen Raum damit bauen. Im Kontext dessen liest sich das Schlafzimmer mit den Stoffwänden als ein Anfang.

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©Alex Gotter

Zur Person

Die Arbeit von Lukas Gschwandtner (°1995 / AT) beschäftigt sich mit dem Maßstab und Maß des menschlichen Körpers und seiner Interaktion mit Raum, Möbeln und Objekten im historischen und zeitgenössischen Kontext. Er untersucht die Körpersprache eines Möbelstückes und wie dieser Vorschlag durch seine Verwendung unterbrochen und umfunktioniert wird.