Julius Pristauz (Homestory)
zurück.Die Anwesenheit der richtigen Dinge
Schon bevor der eigene Schuh über die Eingangsschwelle getreten ist, zeigt sich bei kurzem Blick nach unten, auf die Türmatte eine Bodenarbeit von Zuzanna Czebatul. Die Welt voll von Kunst, grellen Farben und besonderen Dingen beginnt hier bereits draußen vor der Tür.
Hinter der Schwelle befindet sich die erst kürzlich bezogene Wohnung des jungen Künstler und Kurators Julius Pristauz. Man spürt seine Anwesenheit irgendwie schon bevor die Tür in den Rahmen fällt und darum geht es ihm auch. Julius lebt zum ersten Mal alleine in einer Wohnung, die keine WG ist „Mir war bis dahin garnicht bewusst wie mein Wohnstil überhaupt aussehen wird. Mein Wunsch war es, dass diese Wohnung mich als Person widerspiegelt. Oft habe ich das Gefühl, dass Wohnräume in keinem Verhältnis zu dem stehen wie sich Leute beispielsweise kleiden. Natürlich ist es schwierig, vor allem wenn man nicht so viel Geld zur Verfügung hat als junge Person, aber es ist möglich wenn man sich Mühe gibt.“ Julius lebt förmlich auf den Arbeiten, was sich vor allem durch eine große textile Arbeit im Zentrum des Raumes verdeutlicht. Der Teppich ist eine Arbeit der Künstlerin Constance Tenvik, die in Kooperation mit der schwedischen Design Company „layered“ entstand.„ Ich habe fast ein Jahr überlegt ob ich ihn wirklich kaufen soll. Am Ende ist dann fast mein ganzes Erspartes dafür draufgegangen“, gibt Julius zu. „Manche Dinge gehen mir monatelang nicht aus dem Kopf und jedesmal wenn ich sie nun ansehe ist da irgendwas. Ich mag das Gefühl mich durch die Anwesenheit der richtigen Dinge um mich herum wohl zu fühlen.“ Jedes Ding steht für sich und wurde bewusst gewählt „Ich habe eine sehr starke Intuition, in Bezug auf das was mir gefällt, als auch im Leben. Auch wenn es überraschenderweise näher an meinem Elternhaus ist als von mir vielleicht erwartet.“ gibt er lachend zu und deutet dabei auf das Ensemble des dunklen Holztisches und den unterschiedlichen, bunten Sesseln die sich rund herum versammeln.
Leihgabe auf Lebenszeit
„Das hier ist ein Foto von Wolfgang Tillmans“ sagt Julius und zeigt auf einen der Rahmen „Im Zuge des Between Bridges Projekts wurden Prints als Solidarity Aktion günstig hergegeben. Dabei ging es darum unabhängigen Räume der Kunst-, und Kulturwelt zu helfen, die von der gegenwärtigen Krise betroffen sind. Ich muss hier aber zugegeben, ich habe ein bisschen getrickst und habe den Print 1/1 so gerahmt wie er es in einer seiner Ausstellungen gemacht hat.“ erzählt er grinsend. Gleich daneben befindet sich eines der Key-Pieces des Wohnzimmers „Das hier ist eine Malerei von Amar Priganica, einem Freund. Es ist eine Leihgabe auf Lebenszeit, wenn er eines Tages berühmt wird, dann muss ich das Bild eben an Museen ausleihen. Ich hatte zuvor noch nie die Erfahrung gemacht mit so einem großen Bild zu leben. Es ist schon wirklich eine Erfahrung, wenn man es einfach jeden Tag sieht. Ich glaube ich könnte nie wieder ohne.“ Neben den vielen Kunstwerken findet man aber auch Bilder aus dem 1-Euro Shop.
Colour Moods
Ein weiteres zentrales Thema der Wohnung sind die grellen Farben und überall wiederkehrenden Farbkombinationen. „Meine Freunde und ich scherzen immer, dass das Colour-Concept in der Wohnung wirklich unerwartet extrem geworden ist.“ erzählt Julius „Erst beim Einzug habe ich bemerkt, dass ich genau diese bestimmten Farben liebe und um mich herum brauche.“ Auch das Outfit des Künstlers passt perfekt. „Als ein Guilty Pleasure beschreibt der Künstler seine 5-Euro Ikea Lampen. „Wenn es dunkel wird lebe ich ausschließlich in pink-grün-orangen Licht. Jetzt sieht man es leider nicht.“ Aber man kann es sich trotzdem gut vorstellen. „Es ist aber trotzdem heikel, weil nicht alles bunte geht für mich. In einer alten Wohnung hatten wir rotes Licht im Bad, das war ein Alptraum, weil es sofort das Gefühl einer Clubtoilette erzeugt hat.„ Im aktuellen Badezimmer leuchtet es deshalb grün.
Im Vorraum auf dem pastellfarbenen Sideboard versammeln sich erneut die Gegenstände. „Sie ist mir leider zerbrochen, aber sie mag ich besonders.“ meint Julius mit Blick auf eine helle Porzellanfigur „Die Cowboy-Hexe hab ich in Paris auf einem Markt gekauft.“ „Was ich auch sehr liebe, sind meine neuen handgefertigten Sonnenbrillen von einer Freundin einer Künstlerin aus London. Das hier ist eines der ersten Modelle, die sie je verkauft hat. Für mich sind sie wie ein Kunstobjekt.“ sagt er, setzt die exravagante Brille auf und blickt direkt in die Kamera. „Natürlich habe ich mir in den vergangenen Jahren eine Art von Etikette aufgebaut, wie ich in meinem Arbeitskontext auftreten möchte. Aber ich versuche nicht zu viel darüber nachzudenken bei Fragen wie „Was soll man als KünstlerIn tun und was nicht. Es gibt so viele unausgesprochene Regeln und Codes, vieles davon empfinde ich einfach nicht als sinnvoll oder hilfreich.“
1on1
Das Zusammenfließen von Wohnraum und Kunst beginnt nicht erst bei der Türmatte, sondern bereits ein Stück davor, bei einem ehemaligen Klo am Gang. Der Raum wurde renoviert und zu einem Mini-Galerie Raum umgestaltet„Dieses Projekt verbindet noch einmal konkret den Wohnraum und meine Arbeit. Ich liebe es Kunst zu zeigen und gerade angesichts Corona könnte man mit den entsprechenden Maßnahmen, den Raum öffnen und damit gewisse Restriktionen umgehen. „101 is natürlich eine Reaktion auf die herrschende Gegenwart, aber ich habe auch schon beim Wohnungs-Besichtigen darauf geachtet, ob es eine räumliche Möglichkeit für ein solches Vorhaben gäbe.“ Noch bis 20. März läuft die erste Miniatur-Show „ Stealing the Limelight“ der Künstlerin Karolin Braegger vor der Tür.
(Erschienen in Kurier Wohnen 01/21)