Oscar Tuazon. Words for Water

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Wien. Gebäude ohne Türen, manchmal ohne Fassaden. Konturen geformt aus recycelten Karton und Holz. Das Innenleben ist durch Andeutungen markiert. Hier könnte man sitzen, dort könnte man liegen. Realitäten und Verknüpfungen auf den Spuren von Wasser und seinen politischen Zusammenhängen. Das Nachmittagslicht bricht an den Wänden, lässt weitere Raumkanten entstehen. Die eigene Konstruktion liegt offen. Ein Notizbuch liegt auf einer integrierten Bank, versehen mit den Worten Water, we love you. We thank you. We respect you. Ein Auszug aus dem Water Song von Doreen Day. Wenige Worte die das Anliegen von Oscar Tuazon bereits im Ansatz darlegen. Die Ausstellung Words for Water zeigt die anhaltende Beschäftigung von Oscar Tuazon mit den globalen, vor allem amerikanischen Verstrickungen von Wasser und seinen Bedingunen. Im Zentrum steht die Auseinandersetzung und Vermittlung von indigenen Knowledge of Water, stellt dabei die grundlegende Frage: Whats my responsibility to water? Als erste institutionelle Einzelausstellung des Künstlers in Österreich, zeigt Words for Water verschiedene Arbeiten über zwei Stockwerke. Zwischen raumergreifenden modularen Skulpturen und anderen kleineren Gesten. Gleich nach dem Eintreten in den Ausstellungsraum des fjk3 betritt man die räumliche Skizze einer der wesentlichen Arbeiten von Words for Water, dem Prototypen der Cedar Spring Water School, ein Teil der Serie Water Schools, die Oscar Tuazon 2016 begann. Water School - steht für eine architektonische Struktur, die in ihrer Machart die Bauform der indigenen Völker der Küsten-Salish referenziert, die aus derselben Region des Bundesstaats Washington stammen wie der Künstler selbst. Die physische Struktur der Installation basiert auf dem Entwurf des sogenannten „Zome House“, nomadische Architekturformen der Selbstversorgung der 1970er Jahre, der Architekten und Ingenieure Holy und Steve Baer.

Stimmen für und durch das Wasser. Klimakrise, Privatisierung von Ressourcen, Eingriffe in Ökosysteme, die Themen sind eng verknüpft. Jede Region erzählt seine eigene Geschichte durch das Wasser, seine Verläufe, seine Narben, die sich um und über das Wasser und in den Gedanken formen. Auf einem Röhrenfernseher sprechen der Goshute-Vorsitzende Rupert Steele und der Ely Shoshone-Ältesten Delaine Spilsbury. Die Dokumentation bildet den inhaltlichen Hintergrund der gesamten Ausstellung. Es geht um die realen Geschehnisse, den Kampf gegen eine geplante Pipeline, die das Süßwasser aus dem Spring Valley in Nevada ableiten soll. Ein Vorhaben das eine konkrete Gefährdung für das dort existierende Ökosystem und den Sumpfzedern darstellt. Auch geht es um den indigenen Glauben der sich in den Zedern als Speaker for the death, als Verkörperung der Seelen der Vorfahren manifestiert, die durch Massaker ausgelöscht wurden. Wasser und die Geschichte der Einwohner:innen erscheinen untrennbar verwoben. Die Water Schools als Orte des kollektiven Lernens, der Partizipation und gemeinschaftlichen Wissensgenerierung wurden 2018 mit dem Prototypen der „Los Angeles Water School“ erprobt. Es folgten weitere temporäre Standorte: Minnesota, Michigan und Cedar Spring (Nevada). Im Kontext der anhaltenden Proteste in den USA, die von den First Nations, dem Stamm der Standing-Rock-Sioux initiierte wurden und sich später durch andere indigene Gemeinschaften und Aktivistinnen erweiterten. Seit 2017 ist die Pipeline in Betrieb, die Proteste halten an. In Austausch mit indigenen Umweltschützerinnen, deren Wissen über ökologische Fragen zeigen die „Water School“ ein Versuch einen anderen Umgang mit Wasser zu imaginieren, durch Wasser zu lernen aber auch konkrete Ziele an ökologisch gefährdeten Standorten umzusetzen. Die Konstruktionspläne anderer Water Schools sind im Inneren angepinnt. “Water School moves, following water as it cycles across vast geographies, linking mountains to oceans and subterranean aquifers to the skies above them. Water School is a mobile architecture, learning from the fluidity of its medium and the collaborative process of its construction.” sagt Tuazon. Im Inneren der Raumskizze nimmt man den Rest des Ausstellungsraumes kaum mehr wahr. In Österreich ist ein unlimitierter Wasserzugang Normalität, diese Realität stellt die eigene Perspektive gleich in ein klares Verhältnis zu den dort verhandelten Themen.

Ist es nicht verrückt, wie wichtig Wasser ist
Ist Wasser nicht verrückt, wie wichtig es ist?
Ohne Wasser kann kein Leben entstehen.
Ohne Wasser kann keiner verstehen.
Wird es einen Krieg geben wegen Wasser?

I love to be surrounded
by you, to move inside of you, to swim.

Diese oder ähnliche love-letters formulieren sich im Inneren des Notizbuches. Weiter zur Rückseite der Galerie. Das fragile Skelett eines rechteckigen Hauses, ganz ohne Fassade. Das Licht fällt hinein, der Blick direkt ins Innere, in den Kern. Building lautet der Titel einer weiteren raumfüllenden Installation. Es handelt sich um ein Holz-Gerüst in Form eines 1:2 Modell von einer nomadischen Architektur in der indigenen Bautradition der Küsten- Salish, genauso wie die Referenz zum visuellen Erscheinungsbildes des eigenen Familienhauses in den Wäldern von Washington. In der Übersetzung ist das private Setting verloren gegangen. In der Mitte die Andeutung eines Lagerfeuers, die Skulptur Dark Matter, ein Ort der normalerweise zur Versammlung dient, hier steht man alleine. Wie schon bei Water House finden sich quadratische Fenster ohne Rahmen an verschiedenen Stellen der Konstruktion, die einen Blick auf ein imaginiertes Außen legen lässt und bei Lichteinfall an Kirchen erinnern. Im Untergeschoss findet man einen weiteren Rückzugsort, ein Retreat ganz auf das Wesentliche reduziert: die Kartonwände. Darauf finden sich Rückstände, Verweise auf das, was einmal verpackt war. Caution Dreambike inside steht Innen und Außen gleichzeitig. Eine weitere Installation unter dem Titel Great Lakes Water School, die in Kollaboration mit dem Bildhauer Peter Sandbichler entstand. Eine Einladung zum Eintauchen und Verweilen, zum Niederlegen und Beschäftigen mit verschiedenen Büchern zum Thema Wasser. Ein Ort, der erst durch die Nutzung der Besucher*innen zu dem wird was es sein soll. Wieder auftauchen in den oberen Stock. Zurück zum Anfang, noch ein Blick ins Notizbuch:

Now that im thinking about you
Im feeling a little strange…
Im thirsty & I miss you <3