(wertitel:unbekannt) -reshaped memories

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Reshaped memories bezeichnet eine Fortsetzung, einen Anknüpfungspunkt. Ausgehend vom ersten Ausstellungs- Teil box-shaped memories werden die entstandenen Gedanken weitergesponnen. Die Arbeiten werden zu Adaptionen des Eigenen. Versionen entstehen. Erinnerungen überschreiben sich. Die Bilder verzerren sich. Keine Ursprünge mehr. Die Artefakte, die als Basis der künstlerischen Arbeiten dienten, sind inzwischen wieder in Kisten verstaut, sie dienen als loser Anhaltspunkt für das Entstandene. Während das Museum schläft bleiben die Fiktionen. Ein Dialog zwischen Vergangenheit, Gegenwart und spekulativer Zukunft. Die Zukunft im Plural gedacht. Der Kasten geht, die Erinnerung bleibt.

Aline Sofie Rainer

Feelings for a Spider, 2021
Inkjet-Print auf Papier

Fragmentarische Gedanken. Skizzen einer anderen
Geschichte des Spinnens. In der Ecke hängt ein Netz, ein Spinnrad zentral, eine Frau führt die Arbeit aus. Angst vor Spinnen. Man sagt Menschen hätten sich das Weben von den Spinnen abgeschaut, heisst es in der Deutung von Arachne, eine Gestalt der griechischen Mythologie. Aline Sofie Rainer reflektiert diese Gedanken skizzenhaft weiter, hinterfragt diesen nach wie vor rein weiblich konnotierten Aufgabenbereich. Raufen, Riffeln, Rösten/Rotten, Trocknen/Darren, Brechen, Schwingen, Hecheln. Spinnen als Gedicht. Der fragmentarisch gehaltene Text Arachne oder lose Assoziationen zum Spinnen zeigt als Teil der Arbeit assoziative Textpassagen, die sich mit den verschiedenartigen Erscheinungsformen des Webens in der Kunstgeschichte bis in die Gegenwart lose auseinandersetzt, lässt Figuren wie Maman von Louise Bourgeois, eine riesige Stahlspinne mit glitzernden Eiern in Erscheinung treten, in Gedanken weiterspinnen…

Aline Sofie Rainer © Tobias Ehrhardt.png

Janina Weißengruber

Symbolic Attributive 1-5, 2022
Geschnitztes Lindenholz
Phonetic Fragmentary, 2022
Acryl auf Holz

Auf den Wappen haben sich die Motive gewandelt, keine Ursprünge mehr. Fragmente ohne Identität – man erkennt eine Schlange, einen Ball. Namen werden zu Wörtern, zu Symbolen, zu Welten. Durch wenige Brüche geraten diese ins Wanken, verlieren den Sinn oder das Bild. Hurl wird zum Ball, their zum Erbe und so weiter. Ein Rätsel versteckt hinter dem ersten Blick. Eigenschaften formen Bilder, versammeln sich innerhalb eines Frames. Fünf Worte als Gravur, eingeschnitzt in die Objekte. Janina Weißengruber schafft mit Symbolic Attributive 1-5 Objekte einer Imitation. Die Formen von normativen Wappen werden beibehalten, nachgezeichnet, die Farben sind ausgefallen. Sie verhandelt dabei die Fragmentierung von Identität, die durch die Zusammensetzung von Symbolen entsteht, genauso schnell aber wieder aufgelöst werden kann. Objekte ohne Ort, ohne realen Ursprung. Diese Gemeinden müsste man erst erfinden.

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Bartholomaeus Waechter

Iris (S1E1-00:30:29), 2022
Birke, Buntstift auf Papier

Im hölzernen Auge spiegeln sich die Erinnerungen, mit Buntstift ausgemalt. Die weichen Konturen formen einen Ausschnitt, irgendwo einmal gesehen. Ein Screenshot, festgehalten, ausgemalt. Es könnte ein Name sein von einer dieser Figuren. In Iris (S1E1-00:30:29) lässt Bartholomaeus Waechter fiktive Zeitstempel im Raum entstehen, verhandelt das Festhalten bestimmter Momente, ausgehend von visuellen Medien wie Filmen oder Serien. Das Material: geflicktes Sperrholz, an manchen Stellen furniert vertäfelt,
die Erinnerungen in Globusform. Er verhandelt die
Aneignung von Fiktion sowie Identifikationsprozesse mit filmischen Protagonist:innen. Das Setting gestaltet sich als Symbiose zwischen Innen und Aussen.Eine Interaktion zweier Körper, die eine Verbindung
eingehen, fast wie ein kindliches Ballspiel auf einer dieser Wiesen. Ein Spiel ohne Gegner. Fiktive Nostalgien oder nostalgische Fiktionen.

Jakob Gsöllpointner

GRETA, 2022
Video Installation

Hinter den Spitzenvorhängen, Gartenzäunen und Holzfassaden verstecken sich die Bilder. Draussen bleibt es still, alle schweigen. Im Inneren klingen die Worte im Loop. Ein Blick zu viel.
Wann du wülst
Wann du wiaklich, wiaklich wülst
Bleibst immer jung
Konfrontationen mit der eigenen Dunkelheit und
darüber hinaus.

Jakob Gsöllpointner© Tobias Ehrhardt.png

David Takeshi Yoshida

The Oyster Eater, 2023
Bleistift auf Papier, Artist Frame A4

Aus dem Rahmen fällt ein Blick. Direkter Augenkontakt, die Austern sind aufgetischt. Das räumliche Setting wurde überzeichnet, die Möbel ausgetauscht, die Protagonist:innen verändert. Im Hintergrund könnte ein Ikea Regal stehen. Angelehnt an das Gemälde „The Oyster Eater“ von Jan Steen ist die gleichnamige Zeichnung von David Takeshi Yoshida als eine moderne Adaption der zugrunde liegenden Motive zu lesen. Die Auster als ein Sinnbild des gesellschaftlichen Wandels. Das Framing wurde verändert, das Setting der Komposition in einen zeitgenössischen Rahmen gesetzt. Man erkennt Hinweise auf die mögliche Geschichte. Das Kallax Regal von Ikea als kulturelles Massenprodukt, Plattenbauten in der Ferne. Die Auster als Statussymbol durchlief im Laufe der Geschichte einen wiederkehrenden Wandel, der etwas über die Umstände erzählt. Irgendwann einmal war sie noch Zeichen des Überflusses, nicht der Dekadenz. Im ursprünglichen Gemälde vermitteln die Austern vor allem eine erotische Lesart, während die leeren, verzehrten Schalen die sich daneben sammeln, die Vergänglichkeit von irdischen Freuden verbildlichen, ein Thema das in der niederländischen Malerei wiederkehrend verhandelt wurde.

David Takeshi Yoshida © Tobias Ehrhardt.png

Hanna Besenhard

California Dreamings Beta, 2022
Installation
Plastik, Stahl, Wachs

Keiner braucht mehr Flügel, das Ziel hängt stets
im Blickfeld, fast zu erreichen. Geschmolzene Flügel aus alten Geschichten. 3D Prints von Träumen, geformt aus DIY Kits von Dronen. Das grüne Wachs hat sich auf den Propellern gefangen, als bildhafte Schichten, keine Bewegung ist mehr möglich. Hanna Besenhard thematisiert mit California Dreamings Beta Macharten des Erfolgs, die Abweichung als Teil des Systems, im Schatten verborgen. Überlebende Verzerrung. Der Wunsch den Boden zu verlassen, mit Wachs verklebt. Die Angst vorm Himmelssturz, wenn die Sonne zu nah scheint. Eine Konservierung von Fehlern und Abweichungen, eine Einbalsamierung. Das Ziel ist nicht weit entfernt.

Lisa Sifkovits
Scherenschnitt (der Wurf), 2023
Papier, div. Stoffe, Garn; 86x62cm

Auf der dunklen Spielfläche versammeln sich die Figuren. Ein Spiel der Schatten. Sie tarnen sich im Webmuster des Anzugstoffes, das durch einen Scherenschnitt strukturiert wird. Nur wenige Konturen formen die Geschichte. Scherenschnitt (der Wurf) von Lisa Sifkovits nimmt Goyas Wandteppich-Entwurf El Pelele (die Strohpuppe) von 1791/92 als Ausgangspunkt für diese neue Figurenkonstellation. Nur wenige Umrisse formen das Bild. Das ikonische Tuch als Leerstelle markiert. Es handelt sich um den letzten, von sieben Entwürfen, in denen Goya mittels Frauen- und Kinderdarstellungen bestehende Machtverhältnisse der Geschlechter hinterfragt. Das mit Stoff bezogene Papier wird zweimal gefaltet und Eingeschnitten. Vier Ecken und zwei Dreiecke werden entfernt. Der Scherenschnitt entsteht nach einem exakten Ablauf.

Lisa Sifkovits© Tobias Ehrhardt.png

Ausstellungshocker, 2023

Für reshaped memories hat Lisa Sifkovits, in vager Anlehnung an die Begebenheiten des historischen Ausgangspunkts, Raumobjekte entwickelt. Fünf Hocker verteilen sich lose im Raum. Sie bilden separate Sitzmöglichkeiten. In klassischen Stuben wird der Hocker zum Hilfsmittel. Ein Möbelstück, reduziert auf das Nötigste. Die Seiten zeigen eine simplifizierte Ornamentik, die an die Formensprache alter Bauernmöbel erinnert. Wie Puzzleteile greifen die Hocker ineinander. Immer zwei. Stellt man alle zusammen, bildet sich eine langgezogene Bank. Ähnlich denen in einem Museum.

Stools by Lisa Sifkovits © Tobias Ehrhardt.png

Chiara Bartl-Salvi

1, 2 Step (Until the loop ends)
Soundperformance, 25 min
Performerinnen: Chiara Bartl-Salvi,
Rebecca Rosa Liebing
Sound: Chiara Bartl-Salvi, Titus Probst

Eine Begehung. Nur die Bewegungen vermessen den Raum. Die Körper wurden synchronisiert, manchmal miteinander manchmal ohne einander. Die Raumkonturen werden nachgezeichnet. Die Schritte zum Loop während ein Rhythmus entsteht. Die Sound- und Bewegungsarbeit 1, 2 Step (Until the loop ends) von Chiara Bartl-Salvi formt aus Elementen des Stepptanzes und dem eigenen Bewegungsmaterial eine Choreographie der Wiederholung, der Überschreibung. Das Ausgangsmaterial wird imitiert, wiederholt, neu geformt. Gemeinsam mit der Performerin Rebecca Rosa Liebing setzt sich die Performance mit den Gegebenheiten des Raumes auseinander, mit der vorhandenen Architektur und den Proportionen. In 1, 2 Step (Until the loop ends) finden sich auch Aspekte der Popkultur, Abfolgen aus Musikvideos von Künstler:innen wie Britney Spears, Pussycat Dolls, FKA Twigs, Christina Aguilera oder Backstreet Boys werden vage zitiert. Im Zentrum der Auseinandersetzung stehen für Chiara Bartl-Salvi Fragen nach Reproduzierbarkeit und Autorenschaft im TikTok Endlos Stream. Die einzelnen Schritte als Feedbacksystem. Die Bewegungen werden in ihrer Unmittelbarkeit eingefangen und konserviert, zum akustischen Loop, der den Raum formt. Schichten legen sich übereinander, nebeneinander. Zeichnen die Bewegungen weiter. Kommentieren die Körper als Echos im Raum.

© Tobias Ehrhardt.png

Pille-Riin Jaik

unbound capture, 2022
Fotografie Installation
Digitaldruck, Textil, Stahl, Faden

Gezähmte Blicke. Die Natur ist grün, ganz so wie
man es sich vorstellt. Die Blickränder wurden durch Zähne geformt. Es könnte überall sein wo Wiesen liegen, Berge stehen. In unbound capture thematisiert Pille-Riin Jaik die menschliche Obsession zwischen Einfangen und Ausblenden, sowie dem Blickregime in den visuellen Medien. Die Ästhetiken von normierten Naturfotografien werden dabei aufgegriffen und aufgebrochen. Anstelle von Lebewesen treten Kunstwerke, die sich in die Landschaft einnisten. Eine Falle schmiegt sich über die Äste. Unter der bewegten Oberfläche zeigen sich abstrakte Formen. Symbiosen zwischen Natur und Konstruktion. Die Verhältnisse kippen. Während die Arten verschwinden, bleiben die Motive und Winkel gleich. Der Rahmen zentriert den Blick, der Rest bleibt vergessen. Ein Rahmen als Falle, die Zähne gespitzt.

Pille-Riin Jaik © Tobias Ehrhardt.png

Rosa Andraschek

Schichten, 2022/23
Fotoserie, Text

Auf den Fotos kann man nichts erkennen. Diese Vergangenheit wird oft vergessen, überblendet, überbaut, auch hier. In der fortlaufenden Arbeit verhandelt Rosa Andraschek die Geschichte der Ennstalstrecke zwischen St. Valentin und Weyer, die in engem Zusammenhang mit der NS-Zwangsökonomie steht. Als Fortsetzung der temporären Intervention die im Sommer 2022 im öffentlichen Raum an den Industriegebäuden der Ennstalstrecke von der nationalsozialistischen „Panzerfabrik Nibelungenwerke“ (heute MAGNA International) in St. Valentin über die von Zwangsarbeiter_innen und Häftlingen aus Konzentrationslagern gebauten Kraftwerke an der Enns bis in das ehemalige Ennsmuseum in Weyer führte, beschäftigt sich Andraschek mit Kontinuitäten der NS-Zeit, die als Schichten, so auch der Titel der Arbeit, wiederkehren. Die aktuelle Arbeit nimmt Bezug auf den ersten Teil, in die Künstlerin die gewaltsame Geschichte des Ortes anhand von Kreidemarkierungen visualisierte und zeichnet diese weiter nach. Man kennt die Orte, unscheinbar und aufgeladen zugleich, sie werden bis heute unkommentiert genutzt. Die Markierungen sind inzwischen unsichtbar geworden. In einer Kombination aus Fotographien und Texten, stellt Rosa Andraschek Fragen nach der Bedeutung der Aussparungen, die sich hinter scheinbar Harmlosen oder Alltäglichem verbergen.

Rosa Andraschek © Tobias Ehrhardt.png

Leon Leder

(Für Maria), 2022
Sound

Maria ohne Altar, nur der Sound ist geblieben. Die Visionen dringen in die Ohren, in die Räume. Visionen als akustische Phänomene. Blicke in die Dunkelheit. Eine Geschichte ohne physische Rückstände, keine Gegenstände mehr die darüber erzählen was gewesen sein kann. Ausgehend von der Sound Installation. Für Maria die im ehemaligen Ennsmuseum gezeigt wurde, zeigt Leon Leder einen akustischen Kommentar zur Ausstellung reshaped memories. Die Arbeit nimmt das Verhältnis zwischen vermeintlicher Erinnerung und Fiktion als Ausgangspunkt, spinnt diese Wort-, und Bildlos weiter. Erinnerungen werden zu Erzählungen werden zu Fiktionen. Eine Vision aus der Dunkelheit in die Dunkelheit. Für Maria. Den Rest kann man sich vorstellen.

Tobias Ehrhardt

SE: 23644, 2023
Alabaster, Knochenleim, Pigmente, Leinöl-Firnis,
Inkjet-Print

Marmor lässt sich von Stuckmarmor durch Handauflegen unterscheiden. Eine Fotographie lässt sich von KI-generierten Bildern durch Hinweise unterscheiden. Marmor bleibt immer kalt. Tobias Ehrhardt nimmt in SE: 23644 den kulturellen Wandel der Baumaterialien sakraler Bauten von klassischem Marmor hin zu künstlich hergestellten Stuckmamor als Analogie zu der breitwirksamen Nutzung von KI generierter Bilder. Zwischen Marmor und seinem künstlichen Abbild liegen Jahrhunderte. Die Berufsform des/der Bildhauer*in war einem stetigen Wandel unterzogen. KI-generierte Bilder sind überall, erzeugt durch wenige Impulse. Zwischen Eingabe und Resultat liegen Sekunden. Manche sagen das Ende der Fotographie voraus. Die Ästhetik von KI-generierter Bilder befindet sich im Übergang. Manchmal Abbild, manchmal durch eine spezielle Ästhetik der Artefakte auf ein bestimmtes Tool zurückzuführen. Die Ästhetik der Bilder ist noch erkennbar, unfreiwillig werden diese zu einem Stil. In box-shaped memories stand im Zentrum des Stuckmarmor-Rahmens eine Fotographie. In SE: 23644 wird dieses Sujet durch das KI-gestützten Tool Stable Diffusion neu-interpretiert. Während sich die KI-gestützte Bilderzeugung im vergangenen Jahr sukzessive verbessert hat, hat sich in der Verarbeitung von Stuckmarmor nichts getan. Der Stuckmarmor härtet trotz Knochenleim irgendwann endgültig aus - die Bilder bleiben vorerst flüssig.

Tobias Ehrhardt© Tobias Ehrhardt.png

(Erschienen begleitend zu der Ausstellung reshaped memories, 12.02.-22.02.2023)