Tobias Iszo (Homestory)
zurück.Auf der Kommode haben sich die Süßkartoffeln versammelt, eine davon auf einem schlittenartigen Objekt platziert, sinnbildhaft auf Sommerfrische am Semmering geschickt, daneben eine in der Badewanne. Solche oder ähnliche Spielereien finden sich wiederkehrend in der Wohnung des Künstlers Tobias Iszo, dessen Praxis zwischen skulpturalen Möblierungen und fotographischen Settings agiert. Im Raum findet gerade eine Familienaufstellung statt. Manche bezeichnen die Wohnung auch als Kinderzimmer.
Beim Eintreten in das Zimmer färbt sich der Blick in rot, im Zentrum steht eine Sitzgruppe ummantelt von einer Vielzahl an gesammelten Gegenständen und kleinen spielerischen Settings. Die Möbel werden zu Skulpturen und umgekehrt, sie koexistieren. Bereits seit vier Jahren lebt der bildende Künstler Tobias Iszo in dieser Altbauwohnung. Kein klassisches Heim-Studio, vielmehr eine Art Schaukasten der vergangenen und gegenwärtigen Praxis. Obwohl Tobias Iszo die Arbeiten nicht in der Wohnung produziert findet man überall Teile, Rückstände von Installationen, die zur Einrichtung mutiert sind, sich gedeckt halten. “Es ist wie ein Tobias-Museum. Nachdem ich hauptsächlich mit Möblierung arbeite bietet es sich aber auch so an.” erzählt er.
Kurzer Rückblick: "Ich war ein komisches Kind. Innenräume mochte ich immer lieber als raus zu gehen. Ich liebe deshalb auch Hotelzimmer, weil die Möbelstücke immer an der gleichen Stelle stehen. Das sind Fixpunkte an denen man sich immer orientieren kann, die ein Bezugssystem schaffen. Wenn ich selbst wegfahre fällt es mir sehr schwer mich in neuen Räumen zurechtzufinden, die nichts mit mir zu tun haben.* beschreibt er seine Faszination an Innenräumen und Möbeln. “Mir geht es hauptsächlich darum mit Möblierung die Beziehung von und zu Objekten zu hinterfragen. Ich finde auch Möbelgeschichte extrem spannend und habe lange in einem Antiquariat gearbeitet. Für mich erzählen sie einfach sehr viel über Verhältnisse.” Aktuell studiert der Künstler in der Fotoklasse an der Universität für angewandte Kunst, das Medium Fotographie dient aber mehr als Werkzeug um seine Skulpturen festzuhalten, räumliche Kulissen zu kreieren. “Ich war eigentlich nie besonders Foto-affin, bin dann über die Zeit und durch die Möglichkeit Sets zu bauen in das Medium reingewachsen.”
Wechselnde Epochen. Jede Wohnung als anderen Epoche, sie wechseln im Jahrestakt. Die erste Wohnung des Künstlers war noch im Barokstil gestaltet, mit dem er inzwischen wenig anfangen kann. “Meine Freunde lachen oft darüber, dass ich immer die Jahrzehnte durcharbeite. Die zwanziger und dreißiger Jahre mag ich kunstgeschichtlich gesehen gerade besonders. Space Age und Mid Century gehen für mich gar nicht. Aber auch das wird vermutlich auch noch kommen.” ergänzt er lachend. Die Plattform Willhaben ist ständiger Begleiter seiner Sammlung und Praxis. “Irgendwo verbringe ich mein ganzes Leben auf Willhaben, alles was ich besitze inklusive T-Shirts und Hosen sind von Willhaben. Es ist ein ständiges Zirkulieren.” erzählt Tobias. Aktuell hat er sich selbst Willhaben-Verbot erteilt, damit es nicht eskaliert.
Süße Kartoffeln. Überall findet man Süßkartoffeln in unterschiedlichsten Formen und Größen, aus denen Triebe herausgewachsen sind. Jede hat einen eigenen Charakter. Durch die räumliche Inszenierung wirken sie wie anthropomorphe Objekte und sind aktuell Teil von Tobias Iszos künstlerischer Auseinandersetzung. Die Geschichte dazu: "Die Süßkartoffel ist in dieser Wohnung geboren. Wir hatten eine Süßkartoffel in der Küche liegen, bei der sich niemand erklären konnte wer sie gekauft hat. Die ist dann ausgetrieben und war extrem süß und schön. Im Lockdown hatte man kein Gegenüber und ich habe mir zur Aufgabe gemacht diese Süßkartoffel zu betten und schützen.“ Seitdem arbeitet der Künstler mit Kartoffeln als Material. "Auch die Kulturgeschichte der Kartoffel ist extrem spannend, weil soviel falsch gelaufen ist. Das beschäftigt mich jetzt schon sehr lange und auch in der Nazi-Zeit war beispielsweise der Kartoffelkäfer von politischer Bedeutung. " erzählt er.
Der Versuch einer Familienaufstellung. An der Wand hängt der Vater aus Holz. Daneben steht die Mutter, der Blick abgewandt, in weiß gekleidet. Die Charaktere sind an menschliche Stereotypen angelehnt, als Möbelstücke formuliert. Sie werden zu StellvertreterInnen. “In dieser Arbeit geht es um Charaktere einer klassischen Familie, die in einer Konstellation miteinander stehen.” erzählt Tobias über sein aktuelles Projekt, das als Abbild in einem Rahmen über einer Kommode im Raum tront. “Das ist die Vaterfigur, die wollte ich eigentlich niemals hier aufhängen. Das Fundament der abgebildeten Skulptur bildet ein Jugendschreibtisch aus Ungarn, wo mein eigener Vater herkommt. Der abgebildete Raum ist nach der Erinnerung geformt. Das was sich hüftaufwärts formt, habe ich in der Holzwerkstatt dazu gebaut.” erzählt er “das ist ein gutes Beispiel für meine Arbeitsweise denn es war immer nur als Foto gedacht gewesen, dafür muss man aber trotzdem die Skulptur erstmal bauen. Die Skulptur steht inzwischen bei meiner Oma im Keller” ergänzt Tobias lächelnd. “Es ist schon autobiographische, aber mir ging es vor allem um den Stellungsmoment im Raum, wie Objekte zueinander stehen. Die Vaterfigur ist die einzige aus der Serie die mit den realen Tatsachen operiert. Ich wollte die Strenge und den Habitus wahrheitsgetreu darstellen. Es geht hier um das Verhältnis zur abgewandten Vaterfigur, die skeptischen Blicke der Mutter, die Materialität der Großmutter, die Haltung von Geschwistern und die schüchterne Darstellung des eigenen Selbst.” Aus Platzgründen findet die Familienaufstellung vorübergehend im eigenen Zimmer statt.
Zur Person
Tobias Izsó, geboren 1997, studiert Fotografie und Bildende Kunst an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. Er arbeitet mit dem Medium Fotografie und schafft skulpturale Arbeiten, welche oftmals Bezüge zu Möblierung und psychologische Themen verhandeln.
(Erschien in Kurier Wohnen 2/22)