Latent Soils — Katrin Hornek

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Katrin Hornek Latent Soils, 2021 Ausstellungsansicht, Kunstraum Lakeside  Johannes Puch

Klagenfurt. Ein Raum ohne Boden, wie Lücken im Gebiss. Der Weg führt im Kreis. Das Raumskelett liegt frei. Der eigentliche Boden wurde freigelegt, die Fliesen gestapelt und als Display genutzt. Die Kabel fließen durcheinander. Die Bodenhalterungen sind geblieben, wie eine Armee der Funktion. Im Zentrum eine Trennwand, von beiden Seiten begehbar. Vorne ein Plakat, hinten lehnt ein Screen. Die Monitore liegen, keiner steht. Der Fokus nach unten gelenkt, auf das, was unter den Füßen liegt. Latent Soils von Katrin Hornek thematisiert verschiedenartige Verflechtungen und Zusammenhänge, die den Alltag innerhalb des Anthropozäns bestimmen. Die Geschichte von Orten, Materialien und Rückstände aus Archiven werden mit Gefundenem zusammengeführt und neu gedacht.

Die Ausstellung im Kunstraum Lakeside beschäftigt sich dabei konkret mit dem künstlichen Boden Wiens, an dem schon lange und immer noch geforscht wird. Der Boden als Prozess. Stetig modifiziert, in ständiger Veränderung. Die Forschungen, die in archäologischen und geologischen Archiven sortiert sind, dienen als Ausgangspunkt, als Reflexionsraum für die Arbeiten der Künstlerin. Die organisch geformten Skulpturen sind auf den Rückständen des Bodens platziert, der in Stapeln verräumt wurde. Auf dem Boden aufgetischt wirken sie fast wie Ausgrabungen. Neue Bilder, trainiert durch Archive. Ein Thema in Schichten. Die skulpturalen Arbeiten Algorithmic forms casted in disturbed soils sind im gesamten Raum verteilt, irgendwie aufgebahrt. Die skulpturalen Körper, die aussehen wie natürlich gewachsen, manifestieren die Verbindung zwischen natürlichen und technologisierten Arbeitsweisen in Form von Zement, Bauschutt und Farbpigmenten. Sie wurden mittels Runway, einem Machine-learning-Tool generiert, trainiert durch ein digitalisiertes Fotoarchiv der Stadtarchäologie Wien. Die Deep-Learning-Algorithmen schaffen Bilder des Werdens. Die Form wurde gelernt, aus geschichteter Erinnerung gewachsen. Das Material stammt hierbei von Ausgrabungen der Thaliastraße oder Überschwemmungsmaterial der Donauinsel. Zukünftige Vergangenheit oder umgekehrt.

braun I grau I m I U I Erde I Feinsand I
Asphalt I Feinsandig I Humus I Schlacke I
Ziegelbruch I Ziegelstücke I Schotter I
Ziegelreste I Ziegelsplitter I Fein I
Schwarz I Sehr I Grobkies I Mit Wurzeln I
Tonig I Holz I Mittelkies I Bis
usw.

Man kennt diese Worte, trotzdem klingen sie anders. Sie fallen in die Ohren wie die Lücken in die Augen. Irgendwann haben sie einmal den Boden beschrieben, wurden gesammelt und sind zur Erinnerung der Schichten geworden. Die Worte erfüllen einen
Zweck in dieser Version. Bei den monoton gelesenen Worten der Arbeit Der Boden von Wien wird eine Sammlung von Materialbeschreibungen menschlicher Ablagerungen im Boden von Wien genutzt. Der Prozess des Festhaltens wurde in Sprache gegossen. Die Worte, Fehler und Abkürzungen formen den Rhythmus des Blicks. Sie klingen durch den Raum, stehen auf einem Screen, bleiben in Gedanken, auch später noch.Nach Häufigkeit geordnet. Originallänge: 5:17 min. „Ziegel“ ist die häufigste Beschreibung, darauf folgt Beton. Diese zufällige Kombination der Worte
erschafft eine weirde Form der Poesie, die kurz vergessen lässt, dass es sich dabei um das Gedächtnis eines Bohrkernkatasters der Stadt Wien handelt. Betonreste haben sich auf den Sohlen verfangen, wird man später merken. Sie wurden mitgetragen, überschreiben die Bewegungen derer, die davor schon da gewesen sind. Die Schritte überschneiden sich, zeichnen Wege durch den Raum. Spuren bleiben auf
den Fliesen. Im Kopf: Wie oft kann man das Wort Boden schreiben, während der Boden darunter zerbricht?