Rosa Anschütz (Interview)

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Vor einem Jahr, im November 2020, erschien das Debütalbum von Rosa Anschütz, auf dem geisterhaft agierende Chorarrangements, dunkle Synths und reduzierte Worte kathartische Zustände erzeugen. Damals wie heute. Ada Karlbauer sprach anlässlich des ersten Release-Geburtstags mit der transmedial arbeitenden Künstlerin Rosa Anschütz über »Votive«, deren Verbindung zu ihrer kürzlich gezeigten Diplomarbeit und die feinen Trennlinien zwischen Öffentlichkeit und Intimität.

Die Beschäftigung mit Worten, sowie deren Auflösung, ist eine zentrale Komponente deiner Praxis und kehrt in wechselnden Szenarien und Konstellationen wieder.

Ich beschäftige mich mit Objekten, der Beschreibung von Dingen oder Gegenständen, die nicht sofort mit irgendwelchen Begriffen gelesen werden müssen, sondern einfach Objekt sein dürfen. Mit Beschreibungen, die Interpretationen offen lassen, fühle ich mich sehr wohl. Ich will nichts Konkretes, ich sehe mich selbst nicht in der Position, etwas zu erforschen oder zu entdecken. Es geht mir darum, mit Worten umzugehen, worum es in Musik und im Texte schreiben auch maßgeblich geht. Wie kann man die Worte nehmen und was können sie bedeuten? Mich interessiert es, das Simple daran zu entnehmen. Das Wort und das Objekt können so viel sein, beschreiben aber erstmal nur Etwas.

Der Begriff »Votive«, der Titel deines letzten Albums, beschreibt im Christlichen Gegenstände, die als symbolhafte Opfer dargebracht werden.

Der Begriff »Votive« ist eine Herleitung aus dem Christlichen. Für jeden Track des Albums gibt es eine dieser »Votive-Figuren«, die sich auf den Klang bezieht, in dem ich sie gemacht habe und in Ton und auch in der Farbfindung auf die Lyrics eingeht. Es ist ein Objekt, das sich etwas fügt, was schon da ist, da war. Bei einer Kunstmesse im Releasejahr des Albums konnte ich sie sogar als Objekte räumlich inszenieren. Ich hatte ein Laken eingefärbt, was auch auf dem Albumcover schon Hintergrund war, darauf waren die Objekte wie Fundstücke oder Ausgrabungen aufgelegt. Gewissermaßen das Tuch als Herleitung von alten Grabtüchern. Auf einem Textil, welches den Abdruck von Alter auf sich trägt; bewusst neue Formen zu inszenieren, fand ich interessant.

Diese religiösen Themen und Ästhetiken ziehen sich sowohl musikalisch als auch visuell durch deine Arbeiten, deine Musik. Woher stammt das Interesse daran?

Aufgrund von gewissen Umständen habe ich eine katholische Grundschule besucht, was mich sehr geprägt hat. Obwohl ich ungetauft und auch nicht gläubig bin, haben sich einige Elemente dieser Zeit bei mir festgesetzt. Rein vom Akustischen, in meiner Musik und dem Gesang beziehe ich mich immer wieder auf das Christliche, aber natürlich auch räumlich. Es sind dann aber vor allem Begrifflichkeiten, die ich entnehme. Ich beschäftige mich sehr viel mit religiösen Inhalten und diese Beschäftigung hält mich irgendwie etwas zusammen. Orte wie Kirchen, diese offenen Häuser, in die man hineingehen kann, egal wo man ist, finde ich spannend. Wenn man hineingeht, hat das schon die Qualität einmal aus dem Anderen hinauszukommen, ohne dass man dabei unbedingt gläubig sein muss. Obwohl die Kirche ein öffentlicher Ort ist, ist es dort extrem privat. Die »Pfarrkirche St. Laurenz am Schottenfeld«, gleich hinter dem Berliner Döner im 7. Bezirk mag ich besonders. Dort gibt es einen tollen Orgelspieler, dem ich oft zuhöre. Draußen auf der Straße ist es voll, belebt, dann geht man hinein und ist ganz für sich. Das Verlassen von Realität interessiert mich und wenn das halbwegs natürlich passiert, ist es schön.

Diese Trennlinien zwischen Innen und Außen, Öffentlichkeit und Intimität sind ein weiterer Aspekt innerhalb deiner Arbeiten und wurden auch in deiner Diplomarbeit verhandelt.

Wenn man Musik als Sprache begreift und sich fragt, warum man überhaupt Musik macht, liegt das auch daran, dass es Dinge gibt, über die man nicht sprechen kann oder möchte. In meiner Diplomarbeit »DU SCHOENE PERLE – YOU BEAUTIFUL PEARL« ging es darum. Um die Möglichkeit des Rückzugs, das Songs chreiben als Innen- und Außenwelt, das Veröffentlichen und all diese Widersprüche, die es gibt. Man teilt die Musik, wenn man will, dass sie gehört wird und ist gleichzeitig erschüttert, weil sie so einen privaten Einblick liefert. Die Arbeit thematisierte auch das Umschreiben von Songtexten, den ersten Entwurf umschreiben, dass er auch geschützter ist, dass man selbst geschützt bleibt.

Ich hatte für das Diplom die Parodistin Ellen Obier via Zoom engagiert, welche in ihren Bühnenformaten unter anderem Sängerinnen wie Cher oder Shakira parodiert. Ellen hat sich dann mit Hoodie und Sonnenbrille sowie Bühnenvorhang, in ihren eigenen Räumen inszeniert und ein Skript eingesprochen, das ich ihr geschickt hatte. Von dem Aufbau des Textes und der komponierten Musik ging es auch in das Religiöse hinein als Form eines in Episoden abgeschlossenen Chorals, der sich über mehrere Lautsprecher im Raum verteilte. Es gab im Aufbau zu jeder Episode gleichzeitig eine Songstruktur – wie zum Beispiel eine Bridge –, welche je nach Situation Innen und Außen in Verbindung brachte: Das Innere vom Außen schützen, damit das Außen nicht nach innen blicken lassen.

Eine Tendenz, die aktuell nach langen Phasen der progressiven Clubmusik auch in der elektronischen Musik wieder zu bemerken ist, ist die Rückbesinnung auf akustische Instrumente, ohne diese zu verbergen zu wollen. Was sind deine Gedanken dazu?

Das ist etwas, was auch bei mir wieder aufgekommen ist, dass ich den Live-Moment immens schätze und deshalb auch das Instrument wieder mitbringen möchte. Für die letzten Konzerte hatte ich meine E-Gitarre oder die Querflöte dabei, was ich davor schon seit Jahren nicht mehr gemacht hatte. Weniger am Computer, viel mehr im Moment. Ein Instrument wird aber erstmal genug sein. Eigentlich ist die Stimme ja Instrument. Wenn du singst, spielst du damit auch live. Ich habe aber manchmal das Gefühl, ich muss etwas rechtfertigen, wenn es nur die Stimme ist. Diese Weiblichkeit im Gesang macht es auch angreifbarer, als wenn ich mit der E-Gitarre performe. Ein Instrument bringt auch immer einen Statusmoment mit sich. Viele gehen davon aus, dass meine Musik nicht von mir ist; ich habe zwar meinen Produzenten Jan Wagner, aber die zugrunde liegenden Instrumentalspuren stammen alle von mir. Ich sehe deshalb auch den Drang, das Instrument mit auf die Bühne zu bringen, weil ich ganz klar meine Arbeit sichtbar machen möchte und auch als Musikerin wahrgenommen werden will. Im Endeffekt kann man auf der Bühne machen, was man will, deshalb möchte ich das etwas lockerer angehen.

In den neuen Musikstücken geht es sehr viel um das sich wieder Zurückerobern, Kraft zu sammeln und mit den Vorstellungen, die von Außen auf die eigene künstlerische Arbeit treffen zu spielen, sie zu umzuwenden um dann wieder Ganz bei sich zu sein. Mir war dann bei einigen Texten wichtig konkrete Situationen, aus meinem beruflichen Alltag zu thematisieren oder Erlebnisse mit einer Person so zu reflektieren, dass sie von Außen wieder zugänglich und nicht länger eine isolierte Erfahrung bleiben. Ein klares Nein zu finden oder sich einem Gefühl treu zu bleiben, ist sehr wichtig um weiter zu strömen. Die Stimme ist nicht nur das Instrument, sondern vor allem Trägerin dieser Informationen. Daneben beschäftige ich mich gerade mit Pailletten, sowie einer grossen Neuigkeit die tatsächlich nicht mehr allzu lang auf sich warten lässt.