Marion Jambor (Homestory)
zurück.Marion Jambor kennt man als Wirtin des Gasthaus Woracziczkyin in Wien Margareten, von erzählten Menüs und erklärtem Wienerisch im Selfie-Modus auf Instagram. Ein Besuch mit Blick aufs Gasthaus.
Gleich gegenüber vom Gasthaus Woracziczky wohnt die Wirtin Marion Jambor in einer hellen Altbauwohnung. Aus dem Wohnzimmer sieht man direkt auf das eigene Lokal. Schon am Gang des Vorraumes findet man fast an jedem Zentimeter eine Arbeit, Malerei oder Skulpur. Die Sammler-Leidenschaft erkennt man direkt nach dem Eintreten. “ich zieh mich ur oft am Tag um und mag wahnsinnig gerne Gwand. Am liebsten hätte ich fünf Kleiderpuppen dastehen um die Stücke anschauen zu können. Gwand ist für mich der Spiegel der Tagesverfassung“ Zu Beginn ist Marion noch schwarz gekleidet, das Outfit wird sich später noch mehrmals ändern. „Die meisten Leute fragen mich, ob es nicht zu stressig ist gegenüber vom Arbeitsplatz zu wohnen. Finde ich absolut nicht, ich kann sehr gut abschalten. Ich geh raus und die Arbeit ist vorbei. Ein Tag von Marion Jambor verläuft meist nach ähnlichem Rhythmus. “Ich bin eine sehr zeitige Aufsteherin, gehe dann meist 10 Kilometer spazieren, schlafe dafür aber gerne am Nachmittag und stehe dann erst wieder sehr knapp, meist erst 15 Minuten vor dem Abenddienst auf.” Erst einmal hat die Wirtin in den vergangenen 15 Jahren verschlafen. " Da sind dann schon 12 Leute vor der Tür gestanden” erzählt sie lachend. Die Wohnung mit Blick auf das eigene Gasthaus ist sehr praktisch gelegen, Zeit und Wege fallen weg. "Die Wohnung ist eigentlich sehr groß für eine Einzelperson und ich nutze das eigentlich garnicht wirklich aus. Eigentlich verbringe ich die meiste Zeit auf meinem Tisch oder im Bett, ich glaub ich bin bis jetzt erst zweimal auf dem Sofa gesessen“ gibt sie zu.
Marion Jambor ist eine Sammlerin, fast jeder Zentimeter der Wohnung ist mit einer Arbeit oder einem speziellen Gegenstand bedeckt. "“Ich hab sehr gerne Kunst, in jeder Form. Ich sammle auch schon a Zeitl, gemeinsam mit meinem Sohn Luki.” erzählt sie " oft stehen Bilder 6 Monate irgendwo herum und ich denk mir das passt einfach nirgendwohin, dann häng ich was um und plötzlich gehts auf einmal. Ich habe zum Beispiel schon 17.000 mal versucht etwas im Schlafzimmer hinzuhängen, bisher hat es aber noch nicht funktioniert.“ Die Bilder und Skulpturen sind hintereinender gestapelt und werden immer wieder neu platziert. "Es steht zwar ur viel herum, es ist aber nicht angrammelt, aber natürlich denken sich andere manchmal omg wie kann man soviel herstellen“ Die Dinge liegen in Systemen angeordnet. Würde einer etwas verschieben, würde es ihr sofort auffallen. “Für mich sind es Inseln, die etwas bedeuten, da habe ich das kriegt, da war ich dort. Dieser Löwenzahn zum Beispiel ist schon 4 oder 5 Jahre alt, den habe ich ur vorsichtig den Nussberg heruntergetragen und jetzt steht er da. „ Fast jedes der Objekte verkörpert eine Erinnerung. Auch Blumen, Bienenwaben, Keramikfiguren und Steine werden gesammelt. “Ich gehe nie auf die Suche, sondern finde irgendwo was und denk mir das ist geil. Ich will dann auch garnicht, dass das jemand anderer hat, denn die haben sicher nicht so eine Wertschätzung wie ich”.Marion kauft nur auf Flohmärkten oder Second Hand, nur Dinge mit Vergangenheit. "ur oft fragen Leute woher ich was habe und ich sag immer: irgendwoher“ Der Ort spielt keine Rolle. “ich stell mir dann immer vor wie die Sachen getragen worden sind, welche Geschichten dahinter stecken. Wenn ich könnte würde ich noch vielmehr alte Möbel haben, aber irgendwann ist dann auch der Zenit erreicht. Gottseidank habe ich aber beim Lokal ein Lager. Es gibt einfach Sachen an denen kann ich nicht vorbeigehen.” Auch im Gasthaus finden sich auf jedem der Tische Objekte aus Marions Sammlung, die im täglichen Abstand den Platz wechseln.
In der Wohnung gibt es kaum Bücher, die meisten sind bei der Caritas oder im Lagerraum gelandet. Marion liest fast nurmehr E-Book. “Seit einiger Zeit lese ich vor allem Chroniken, darüber wie sich Wörter zusammensetzen und verbinden, Etymologien interessieren mich wahnsinnig.” erzählt sie mit Blick auf einen Holztisch auf dem Bücherstapel stehen “die Bücher die ich noch habe liegen immer hier auf dem Tisch, werden immer wieder durch andere ersetzt.” “Wienerisch mag ich wahnsinnig gerne, das wird viel zu wenig gepflegt. Ich rede explizit wienerisch, auch wenn das manchmal ein bisserl ordinär klingt, das macht mich aus und das muss man dann halt aushalten." Auf Instagram teilt sie diese Leidenschaft täglich als “das wienerische Wort vom Tag”. Viele der Worte kennt keiner mehr. "ich finde man sollte beides können. I muss mi irgendwo in Kargen in ein Wirtshaus setzen können und mitreden oder am Abend zum Präsidentenempfang gehen können. Das hab ich auch meinen Kindern immer gesagt.“Der Tisch ist immer voll, oft sitzt sie im Schneidersitz darauf. Neben den Büchern fällt der Blick auf eine Weinflasche die mit Filzmotiven überzogen ist, diese stammt von der Künstlerin Kiki Furlan. “Die habe ich letztes Jahr bei einer Charity Veranstaltung beim Weingut zum Pranger ersteigert. Der Luki mein Sohn war dort der Auktionator und ich war so aufgeregt, dass ich mich selbst übersteigert habe.” erzählt sie lachend "Ich glaub mich dürfte man auch niemals und Casino oder so schicken, da trifft mich der Schlag.“Beim Thema wienerisch darf der Tod dann auch nicht fehlen. “Oft überlege ich mir, wenn ich nicht mehr wäre (ich hasse Konjunktiv) , dann geht die Bedeutung der Dinge verloren. Ich überlege mir dann oft was für ein Stück ich nehmen würde um meinen Enkeln etwas Stellvertretendes für all das was da war weiterzugeben. Ich glaub ich würd einen Stein nehmen” meint Marion und zeigt auf einen der meist als Handy-Ablage dient. "den hab ich aus Vorarlberg mitgenommen und jeden Tag in Verwendung und der wird mich immer an diese Momente zurückerinnern. "
Gäste werden selten empfangen„wenn dann gibt es immer nur Schinken-Käse-Toast." erzählt sie " ich koch überhaupt nicht, ich hab da noch nie gekocht, das stresst mich wahnsinnig, aber meine Kinder kochen eh schon genug. Ich sitze ur gerne Stunden beieinander, esse ein Wurschtbrot, Käs oder ein Punschkrapferl dazwischen. Die Geschichte mit dem Essen ist zwar mein Leben, hat aber in meinem Privatleben nicht mehr die oberste Priorität. Ich kenn zwar auch die ganzen Gastronomen, aber ich renn nicht mehr überall hin wo es neu ist, die Wertigkeiten haben sich da verlagert.“ erzählt die Wirtin. Die Küche wird nie benutzt, de Kühlschrank ist immer leer, anders als man sich den stereotyp einer Wirtin vorstellt. Der Inhalt: Bier und Äpfel. Bei Besuch wird dann aber der ganze Tisch gedeckt "wenn ich aber Gastgeberin bin will ich, dass alle ganz viel essen und trinken und alle genug haben, solange bis keiner mehr kann. Das mag ich voll gern.“
(Erschienen in Kurier Wohnen, 01/23)