Mafia Tabak (Homestory)

zurück.

20220902_Kurier_NikoHavranek-1014.jpg

Zu Besuch bei Mafia Tabak. Das Wohn-Atelier ist visuell an eine kanadische Skihütte der 70er Jahre angelehnt, sieht aber vor allem aus wie der Künstler selbst. Signature Farben und Muster, Persona und Umgebung miteinander verwachsen. Die Farbwelten sind sich einig. Hier kollidieren die Worte und Gedanken, fallen ungehindert auf die Leinwände. Ein Dreimann-Haus, in dem auch ein befreundeter Maler und ein Musiker lebt. Der Austausch ist zwischen den Stockwerken zentral, die Türen stets geöffnet.

Der Tag startet immer am Papier. “Die Praxis ist: aufstehen, Café trinken und dann schreiben am Laptop. Meine neuen Bilder sind alle textbezogener." Danach wird meist gekocht und erst am Nachmittag beginnt er an den Leinwänden zu arbeiten. “Ich kürze alles ab.” erzählt Mafia Tabak “das Malen ist für mich die Abkürzung zum Film und der Film ist der kurze Weg zum Theater. Ich schummel mich so ein bisschen durch” meint er grinsend. Wenn der Tag aus dieser Routine fällt, dann fehlt ihm etwas. Im Atelierraum der sich gleich neben dem Wohnzimmer befindet stapeln sich die die Leinwände zwischen Miniaturen und Großformat.„Ich male sehr schnell, eine große Leinwand 2x3 Meter ist in einer Stunde gemacht. Ich komme ja von Draußen vom Malen, deshalb ist mir die Geschwindigkeit immer noch wichtig. Irgendwer Hundertwasser, Miro, Van Gogh oder einer von denen hat mal gesagt " Je schneller man malt, desto besser fühlt man sich“ und das stimmt. „

Eine blau-grüne Couch biegt sich als Herzstück durch das Wohnzimmer. Wieder die Signature-Farben. Die Einrichtung wirkt fast so als wäre sie aus den Malereien mit herausgewachsen. Das Outfit des Künstlers bewegt sich im gleichen Farbspektrum. “Irgendwie schaut alles nach mir aus, der Gesamtvibe muss stimmen. Gerade ein Wohn-Atelier soll schon eine Ausstrahlung haben.” Hier ist nichts zufällig. “Zufällig nach 18 Stunden Willhaben” ergänzt er lachend. Das Wohnzimmer dient als Rückzugsort und Versammlungsraum. "Da stapeln sich bei Parties die Leute, anstatt sich in den anderen Räumen zu verteilen. Im Atelier ist die Scheu größer als man glaubt, da herrscht eine eigene Energie. „ Die Trennung zwischen Studio und Wohnraum ist trotz der räumlichen Kombination essentiell. Die Arbeit soll hinter der Tür bleiben, nicht über den Türstock hinüberwachsen. Der Blick fällt auf eine klein-formatige Skizze auf dem wuchernden Schreibtisch. Erst kürzlich hing diese um das hundertfache vergrößert beim Frequency.“ Das war für die Band Bilderbuch der Banner fürs Frequency Festival, dann hängt plötzlich meine Zeichnung vor 30.000 Leuten, mit einem Spruch der eigentlich gar nichts mit Bilderbuch zu tun hat, aber keiner weiß dann so genau ob der von ihnen oder mir ist. Ich mag es wenn die Dinge verschwimmen miteinander. Das Publikum kennt sich halt garnicht aus, kleine Verwirrung stiften ist meine Spezialität. Verwirrung im Kopf.“

Alles wird mir zu Bilde oder eines Tages wird es zu Bild geworden sein, liest Mafia Tabak von der eigenen Zeichnung ab. Wiederkehrend findet man die Worte als als zentralen Bestandteil der Komposition. “Es ist wie ein kryptisches Tagebuch. Nicht deutsch und nicht englisch, sondern die direkte Übersetzung wie ich denke. Schon tagebuchartig: ein bisschen traurig, ein bisschen witzig aber grad im Moment eher traurig" fasst er zusammen und lacht dabei laut auf. "Egal ob es ein abstrakter Teich ist oder ein Alien, es spricht alles aus mir. Es ist wie ein Alphabet das ich mir selbst geschaffen habe. „ „Das Theater ist aktuell ein weiteres Medium dem sich der Künstler sukzessive annähert. " Ich kann mir ja nicht einfach das Medium nehmen, ohne dass ich vorher mitdenke und in die ganze Geschichte reinfinde. Das Theater wird mein Big Bang, aber mehr möchte ich noch nicht verraten.“

In das Kochen ist Mafia Tabak sukzessive reingewachsen, wird inzwischen regelmäßig gebucht. “Es ist ein Erlebnis mit allen Sinnen. Ich sehe mich nicht als Maler, sondern als Erzähler. Film, Taste, Farbe und Sprache: Alles" fasst er zusammen. „Deshalb mag ich auch das Kochen, es hat etwas endgültiges, was man schließlich teilt. Am Ende des Tages ist es schon meine Sprache die nur mir steht, sie ist aber bestimmt für andere, für alle anderen eigentlich. Das ist so paradox daran.“ Mafia Tabak sieht sich eher als Charakter als als Maler. “Man lacht mit mir, man isst mit mir, das ist der Typ der am Berg kocht, nicht der Typ der streng im Studio sitzt. Die Leute denken vermutlich ich bin die ganze Zeit draußen. Das versuche ich vor allem über Social Media rüberzubringen, die wenigsten wissen, dass ich dann trotzdem viel Zeit im Studio sitze” erzählt er über seine Internet-Persona. Der Künstlername Mafia Tabak bietet die Möglichkeit zur Projektion " Als Jürgen Fetz würd ich mir schwer tun ein Theater zu machen, als Mafia Tabak kann ich machen was ich will." Anekdoten werden zu Geschichten werden zu Bildern.“ “Leute kaufen sich bei mir eine haptische Geschichte mit, da kann es schon einmal passieren, dass jemand eine Speibgschicht in ein Bild verpackt kauft” erzählt er lachend.

„Ich sehe mich als Kunst-Eremit. Ich glaub man kennt mich, aber man kennt sich nicht aus.“ Das Aussteigen ist zentral.“ Ich steige irgendwie permanent aus dem ganzen Rad aus. Irgendwann werde ich ganz weg sein. Irgendwo in einem Haus, verwildert. Nurmehr von außen beobachten.“ Träume sind zentrale Motive. "Vielleicht kann man einen Traum lieben, ganz sicher kann man ihn leben. Sehr viel in meiner Arbeit ist Traum bezogen. Träume im Sinne von Fantasie. Eine meiner größten Ängste ist es, dass ich irgendwann nurmehr in meinem eigenen Fantasieleben bin und keinen Bezug mehr zum Außen habe. Solange noch in bisschen das Fenster offen ist und ich schaue mit dem Café ins Leere nach draußen, solange geht es sich noch aus“ schließt Mafia Tabak mit Blick zum Fenster.

  • Zur Person*

Wisse ich bin - Ich erzähle euch von mir

Warum das zu schreiben wo doch nur ich mir selber ich beschreibe.
Es sind Geschichten über Titel und diese Titel eben auch Geschichten.
Eine mir zwingliche Erklärungsnot. Erklären das Ich, Entschuldigen
das Tun und Erleben das Sein. Das Abbilden und Erlebbar machen
scheint dringlich und richtig. Eine Sprache die nur mir steht, bestimmt
für alle anderen. Ich erzähle gern, in allen mir bekannten Sprachen.
Deutsch, Englisch, Film, Sinn und Farbe.
Das Malen bleibt dennoch mein Hauptantrieb um Gedanken auszudrücken,
Gefühle in Form und Energie in die Welt zu bringen. Alles wird mir zu Bilde
oder eines Tages wird es zu Bild geworden sein.
Das Spiel mit Farben, Formen , Schrift - Kein Wunsch,
Kein Drang,
ein Muss von meinem Ich.

Wisse ich bin - Ich erzähle euch von mir

(Erschienen in Kurier Wohnen 02/22)